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August 2001 - unser erster unfreiwilliger Galopp... 

Wir fuhren gemütlich durch die Gegend. Es war sehr warm, also kein Grund für Rico, allzu kernig zu sein.

Da kam uns ein Radfahrer entgegen, der seinen freilaufenden Schäferhund wohl nicht so ganz im Griff hatte. Er sah uns von weitem, wie auch wir (auch Rico!) ihn, stellte sein Fahrrad an den Randstreifen und fing seinen Hund ein. Dann blieb er in gebückter Haltung über dem Hund, um ihn festzuhalten.

Das fand Rico schon spannend. Ich wollte cool bleiben und weiterfahren. 
Parierte Rico jedoch vom Trab zum Schritt durch und redete uns beruhigend zu. Das war wahrscheinlich ein Fehler. Er blieb dann ganz stehen, Kopf hoch, irgendetwas fixierend. Ich fürchtete, er könnte vor dem kauernden Mann samt Hund erschrecken, der links von uns war und nach rechts ausbrechen, verkürzte also die linke Leine. Tja, und dann brach er nach links weg, schaffte im Galopp eine Kehrtwende und wir rasten den Feldweg zurück. Ich hatte beide Füße aufs Bodenbrett gestemmt (sehr holprige Strecke!) und irgendwie nicht mehr den Mut, einen der Füße abzuheben um zu bremsen. 

       

Gebremst hat dann Frank. Natürlich kann man ein Pferd nicht mit der Kutsche bremsen. Aber alles in allem ließ er sich auch gut wieder durchparieren. 
Dann wendeten wir wieder und versuchten es ein weiteres Mal. Frank wollte schon absteigen und führen, aber ich fürchtete, dass Rico losstürmt, während Frank absteigt... Also fuhren wir wieder los (der Mann wartete geduldig mit seinem Hund) - und stellten fest, dass es nicht der Mann/Hund war, der so schrecklich war. Es war das Fahrrad, auf das wir geradeaus zufuhren. Aber dieses Mal ließ sich Rico durch bestimmtes verbales Kommando und nur leichtes Anlegen der Peitschenschnur überzeugen und ging dann zwar leicht schielend aber unerschrocken an dem Fahrrad vorbei. Und bereits als wir noch fast neben dem Rad waren, war er wieder ein entspanntes zufriedenen Fahrpferd. Kaum zu denken, dass er sich wegen etwas erschrecken könnte... Wir waren sehr erleichtert, dass es im zweiten Anlauf auf Anhieb geklappt hatte. 

Ob es wohl auch beim ersten Anlauf funktioniert hätte, wenn ich einfach ohne Argwohn weitergefahren wäre???
Ich bin mir immer noch nicht sicher, wie ich das nächste Mal reagieren werde, wenn Rico Gespenster sieht. 

 

Treffen beim Fahren unmögliche Leute...

Als wir dann erst nach zwei Wochen wieder fuhren, war es recht windig und Rico entsprechend "gut drauf". 
Wir fuhren an einem rauschenden Wald vorbei (hinter jedem Baum potentielle Gefahren), dann an einem knisternden Maisfeld (knistert bestimmt wegen der Raubtiere da drin), dann an Pferden, gefährlichen Kühen...
   
                                                                                                     dieselbe Strecke wie immer.
Der Weg ist nicht so schön, wenn es sehr trocken ist. Alle Spuren und Löcher aus der Matschzeit sind nun hart. Wenn der Boden weicher ist, kann man da auch traben, aber jetzt fährt man besser Schritt. Als wir gerade wendeten um zurückzufahren, kam da tatsächlich ein Auto langgefahren. Unvorstellbar eigentlich, auf diesem holprigen Weg in dieser als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Gegend. Ein paar Radler stiegen schimpfend ab um den Weg für ihn freizumachen. 
Das Auto kam so plötzlich und unerwartet hinter ein paar Büschen in Ricos Sichtfeld, dass er sich erschreckte (er wartete aber wohl auch auf etwas, vor dem er sich erschrecken konnte) und mitten aus der Kehrtwende heraus losgaloppierte. Trotz Vollbremsung und deutlicher Paraden (um nicht zu sagen, ich hing ihm im Maul) haben wir doch etliche Meter auf einer wunderschönen Wiese hinter uns gebracht. Danach ließ sich Rico wieder brav wenden und im Schritt weiterfahren, als wenn nichts gewesen wäre.

Das ist das gute an ihm - wenn er sich mal aufregt, dann regt er sich auch genau so schnell wieder ab. 
Er muss sich offensichtlich bewegen dürfen (seinem Fluchtinstinkt folgen dürfen), um sich zu beruhigen. Nach nur wenigen Metern Abstand siegt seine Neugier/bzw. hat er durch Bewegung seine Spannung abreagiert. 
Bedauerlicherweise ist es nicht immer möglich, sein Pferd zu dessen Beruhigung traben zu lassen, wenn es eng wird.

Und dann parkt doch tatsächlich der Fahrer des Wagens in einer Weidetoreinfahrt, steigt aus und sagt uns, wir sollten doch bitte nicht auf der Wiese fahren, sondern den Weg benutzen...

 

September 2001 - das erste Mal Straße überqueren...

Und dann sind wir doch endlich mal über die Straße gefahren! Nur überquert, aber immerhin!
Auf der anderen Seite gibt es lange Feldwege, die man fahren kann. In der Mitte ein Grasstreifen, also perfekt, um Rico mal traben zu lassen. Er trabte auch freudig los und alles hat wunderbar geklappt. Eigentlich hat er sich wieder benommen, als wäre er ein altgedientes Fahrpferd, aber solange ich mir nicht sicher bin, dass es auf der Straße klappt, werden wir das wohl noch lassen. Wir werden jetzt aber öfters auf die andere Seite fahren.

Ich denke, je mehr wir fahren, desto ruhiger wird er (und ich). Eine kürzere Distanz würde mich auch mal reizen. Die Schrittarbeit vor der Kutsche hat sich bewährt. Er wird dadurch entspannter und sein Schritt besser. Aber noch lieber trabt er vor der Kutsche, da muss man ihn nicht bitten...

Wir arbeiten Montags bis Donnerstags von 6:30 Uhr bis 15:30 Uhr. D. h. morgens kurz vor 6:00 Uhr fahren wir zur Arbeit und kommen abends um 16:30 Uhr nach Hause. Spätestens, wenn die Sommerzeit wieder vorbei ist, ist es dann abends so früh dunkel, dass wir bestimmt nicht mehr viel machen (können). Wir überlegen gerade, wie wir Licht an die Kutsche bekommen könnten.

Hier ist unsere Abfahrt vom Hof zu sehen - Richtung Straße.

Rico trägt vorne und hinten Hufschuhe. 

 

 

Dezember 2001 - jetzt auch Fahren auf der Straße...

Es war saukalt. Die Pferde kommen nach Beendigung der Weidesaison nur noch jeden zweiten Tag für wenige Stunden auf ein für den Winter abgetrenntes Stück Weide. Dieses Stück sieht nach kurzer Zeit aus wie ein Acker. Damit Rico genügend Bewegung hat und was anderes sieht als Reitplatz und Longierzirkel, wollen wir weiterhin Kutsche fahren.

Wenn man nur auf der Kutsche nicht so frieren würde! 

Die aus einer alten Wolldecke selbstgenähten Bockdecken machen das Fahren für Frank und mich schon viel angenehmer. 

Aber die Hände. Mit Lederfahrhandschuhen kann ich zwar die Leinen ganz toll halten, aber sie sind nicht warm. Da mir nach einer halben Stunde die Finger abfallen, habe ich mir noch Wintersporthandschuhe gekauft, aber die sind leider auch nicht viel wärmer. 
Und mit richtig schönen warmen Handschuhen kann ich die Leinen nicht gut halten.

Falls irgendjemand hier die ultimative Lösung gefunden hat, so möge er mir bitte schreiben! 

Wir fuhren wegen der Dunkelheit auch nur noch am Wochenende. 

An der Kutsche sind hinten rote Reflektoren. Seitlich haben wir die Radkappen mit sehr stark reflektierender gelber Folie beklebt, da wir keine passende Stelle für anschraubbare Reflektoren fanden. Dazu haben wir noch die batteriebetriebenen (Blink-) Lampen vom Fahrrad und eine starke Taschenlampe dabei. Rico benimmt sich bei Dunkelheit sehr gut, auch wenn Frank von hinten am ihm vorbei auf den Weg leuchtet. Aber trotzdem wird uns das Fahren auf den schlechten Feldwegen bei Dunkelheit zu abenteuerlich.

Da es sehr mild und feucht war, wurden die von uns gewählten Feldwege immer schlimmer. An einem Tag sind wir an einer überraschend schlechten Stelle fast im Schlamm steckengeblieben. Aber Rico hat gekämpft und uns durchgezogen. Also zugfest ist er inzwischen sicher! Er hat dabei seinen Hufschuh hinten rechts verloren. Frank war bis zum Ellenbogen im Schlamm, um den Schuh wieder rauszuziehen. Sonst verlieren wir die Schuhe aber auch im Schlamm nicht. Vielleicht hatten wir ein bisschen zu wenig Luft in diesen einen Schuh gepumpt, die anderen drei hielten schließlich auch in dieser Situation.

Und wegen dem tiefen Schlamm wagten wir uns dann auch auf die Straße. Und es klappte sehr gut.
Beim ersten Mal haben wir ihn ab dem Moment, als wir auf die Landstraße kamen (70 km/h erlaubt, die meisten rasen jedoch schneller) traben lassen. Nach ungefähr 2 Kilometern ist man dann am Hof. Wir wurden nicht nur von Autos und Motorrädern, sondern auch von einem Bus überholt. Aber Rico hat sich wirklich gut benommen, obwohl er zwischendurch schneller werden wollte. Kurz vor dem Ende hatte ich das Gefühl, dass er endlich super an den Hilfen stand - er reagierte auf leichtestes Eindrehen der Handgelenke. Ich habe dann mal ein bisschen die Leinen lockerer gelassen und er hat sich auch direkt gestreckt. Besser als im Gelände!

Am Tag darauf fuhren wir dann auf dem breiten Rad- und Fußgängerweg neben der Straße, weil wir eine gemütliche Schrittrunde wollten und bei dem kalten (aber sonnig bei blauem Himmel) Wetter auch nicht viele Radfahrer unterwegs waren. Ich weiß schon, dass man das nicht darf - bin mir aber nicht sicher, ob es für ein Pferd so gesund ist, 2 Kilometer auf Asphalt zu traben. 

Rico ist nur vom Kutsche fahren harten Untergrund gewohnt und die Trabstrecke fängt erst nach ca. 40 Minuten an. Laut Herrn Dr. Marquis sind die Sohlen seiner Hufschuhe so hergestellt, dass sie vom Stoppen her dem barfuss gehen nahe kommen. In die Hufschuhe legen wir noch die etwas abdämpfenden Einlagen. Aber wenn es sich vermeiden lässt, möchte ich Rico auf Asphalt doch lieber Schritt gehen lassen. Außerdem konnten wir so einmal testen, ob er auf der Straße auch bei langsamen Tempo noch so brav ist. Grundsätzlich ist er nämlich durch traben lassen zu beruhigen, wenn er sich im Schritt aufregt.

Frank hat immer nach hinten gesehen, ob ein Radfahrer kommt. Und wenn einer kam, bin ich rechts rangefahren und habe zwischen zwei Bäumen eingeparkt. Den ganzen Radweg lang ist ca. alle zehn Meter ein Baum. Rico ließ sich gut durchparieren und wieder anfahren und blieb auch gut stehen. Ich glaube, das mit dem Stehen hat er jetzt endlich kapiert. Und die meisten Radfahrer haben sich sogar bedankt, also hoffe ich, dass wir sie nicht störten.


Fazit

 

 

Man sollte nur dann fahren, wenn man ausreichend Zeit hat und sich in ausgeglichener Stimmung befindet. 
Und man sollte auf seinen Bauch hören und Situationen vermeiden, bei denen man kein gutes Gefühl hat.

Sonst überträgt sich die Ungeduld oder Nervosität auf das Pferd und die Fahrt könnte zu einer Belastungsprobe der Freundschaft werden.

 

Leider gibt es hin und wieder schwer einzuschätzende Situationen. 

Wenn Rico z.B. während einer Fahrt mit der Kutsche auf einmal verspannt und evtl. sogar noch stehen bleibt (Schweif hoch, Kopf hoch, lautes Schnauben...). 
Was nun? 

  •  
    • Rico gucken lassen und dann vorwärts schicken?

    • Ihm "Beistand" geben, indem Frank absteigt und ihn führt oder einfach nur neben ihm hergeht?

    • Ihn direkt antraben lassen, bevor er stehen bleibt?

Beim Fahren fehlt der direkte Kontakt, den man als Reiter hat. Außerdem trägt man hier meist auch noch die Verantwortung für einen Beifahrer. Ein mit Kutsche durchgehendes Pferd ist zudem gefährlicher für sich und seine Umwelt, als ein Pferd ohne "Anhang" oder ohne Reiter.

Inzwischen haben wir zwar viele Situationen erfolgreich gemeistert.
Aber nicht immer sind wir sicher, wie Ricos Verhalten zu bewerten ist. Wenn wir nicht absehen können, wie er reagieren wird, steigt Frank vorsichtshalber ab und geht neben Rico her oder führt ihn auch mal ein Stück. Rico wird vorher durchpariert und muss stehen bleiben, bis Frank abgestiegen/ wieder aufgestiegen ist. Das sitzt inzwischen.

Nur einmal ist Frank auch während der Fahrt (Schritt) abgestiegen, aber da war nicht Rico unberechenbar, sondern einige Autofahrer, die uns in einer uneinsehbaren Rechtskurve überholten, als uns bereits Autos entgegenkamen. Da wollte Frank vermeiden, dass Rico total geschnitten wird. Den meisten Verkehrsteilnehmern ist offensichtlich nicht bewusst, dass ein Pferd vor der Kutsche nicht so berechenbar ist, wie ein Auto. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Autofahrer mehr Abstand halten, wenn ein Fußgänger neben dem Pferd hergeht. 

So kamen wir bisher ohne große Aufregung überall hin. Im Nachhinein stellte sich oft heraus, dass es wahrscheinlich auch ohne Führen geklappt hätte. Aber dann hatte es zumindest nicht geschadet. Blöder wäre, wenn man hinterher sagen müsste: "Hätten wir doch mal geführt".
Solange wir uns nicht sicher sind, werden wir so weiter verfahren. 
Und es sieht nicht so aus, als ob wir uns dadurch ein Pferd erziehen, dass dauernd geführt werden muss. Situationen, die wir einmal mit Führen lösten, ließen sich meist bereits beim zweiten Mal schon viel leichter und ohne Absteigen des Beifahrers bewältigen.

Nur bis Rico ruhig vor der Kutsche stand, musste Frank recht oft absteigen. 
Da war dann aber seitens Rico auch eher Unlust als Unsicherheit der Grund.
Um ihm das ordentliche Stehen ohne Absteigen und anfangs auch noch Belohnung in Form von Leckereien beizubringen,
hätte es eines Fahrers bedurft, der sich sicher genug wäre, im Falle einer Auseinandersetzung richtig zu reagieren und zu gewinnen.

Wenn wir mal in die Situation kommen, dass wir nicht weiterwissen, werden wir uns und Rico eine Pause gönnen. 
Sollte sich beim nächsten Versuch herausstellen, dass es nicht nur ein schlechter Tag von Rico oder uns war, werden wir einen Fachmann hinzuziehen.

Im Mai 2002 sind wir dann endlich weitere Strecken Strasse gefahren. Das ging viel leichter als wir gedacht hatten. Rico hat sich vorbildlich benommen. So macht Kutsche fahren Spaß. Wir haben es sogar tatsächlich bis nach Hause geschafft. Und das durch Autoverkehr mit Schulbussen und allem was so dazugehört.

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