Rico wurde gewogen - vor Beginn der Weidesaison 2003. Da wog er (Stockmaß 1,43 m) schon 512 kg. Auch nach der Körperfettanalyse hieß es, er sei übergewichtig. Zwar nicht wirklich fett, aber er könnte doch abnehmen.
Im Winterhalbjahr bekam er zu der Zeit zwei bis dreimal täglich Heu, morgens und abends Kraft- bzw. Mineralfutter (bei Rico betrugen die zwei Portionen insg. 400 g "Isi & Co"). Tagsüber
stand er für ein paar Stunden auf dem Sandauslauf, nachts auf Stroh in ihren Boxen.
Im Sommerhalbjahr bekam er morgens und abends Heu/Futter und stand den Tag über ca. 8 Stunden auf der Weide.
Eine gute Sache. Rico stand vorher Jahre im Offenstall, weil ich dachte, das sei die beste Haltungsform. Aber die Kombination Box/Auslauf/Weide bekommt ihm, da er so leichtfuttrig ist,
deutlich besser.
Leider legte er im Sommer trotzdem noch zu. Ich begann, mir Sorgen zu machen, wegen Kreislauf, Rehegefahr, Stoffwechselproblemen und ich weiß nicht was es da alles noch gibt und suchte nach einer
Lösung.
1. Einschränkung der Fresszeiten?
Ihn kürzer auf die Weide und den Rest des Tages alleine auf den Paddock zu stellen. wäre erstens schwer zu organisieren und zweitens gefällt mir der Gedanke, ihn zu isolieren, nicht so gut.
Außerdem würde er dann in der kurzen Zeit auf der Weide schlingen und danach ohne Futter sein. Besser wäre sicher, konstant nur eine geringe Menge Futter aufzunehmen.
2. Einrichtung von Portionsweide?
Nach neueren Erkenntnissen scheint es nicht ratsam, dickere oder rehegefährdete Pferde auf abgefressene Weiden zu stellen, da der Fruktangehalt (welcher unter anderem für die Hufrehe verantwortlich sein soll) dann eher höher ist, als in langem Gras. Die Gräser speichern vermehrt Fruktan, wenn sie unter "Stress" stehen, z. B. weil sie von den Pferden ständig abgefressen und kurz gehalten werden. Der Fruktangehalt soll sinken, wenn die Pflanze ungehindert wachsen kann und die gespeicherte Energie dafür verbraucht.
3. Einsatz eines Fressmaulkorbes?
Die Idee klingt gut und unkompliziert. Rico könnte wie gewohnt mit allen Pferden zur gleichen Zeit auf die Weide und würde trotzdem weniger fressen. Keine Verhandlungen wegen irgendwelcher Extrawünsche.
Nachdem ich mir die verschiedenen inzwischen auf dem Markt befindlichen Modelle angesehen hatte, gefällt mir der Greenguard (GG) am besten. Er sieht für mich so aus, als hätte das Pferd hier am wenigsten zusätzliches Material am Kopf. Nur das dazugehörige Halfter finde ich wegen der Hafi-Mähne zu kompliziert anzubringen. Ich bringe Rico morgens nicht täglich selber raus und will niemandem das "Gewurschtel" mit mehreren Riemen zumuten. Außerdem möchte ich das Risiko ausschließen, dass er sich wegen dem zusätzlichen Halsriemen verletzen könnte.
Also versuchte ich es mit dem ihm am besten passenden Halfter. Schnell zeigte sich, dass der Nasenriemen dann doch recht viel Gewicht
trägt und nicht mehr richtig sitzt.
Dieses Problem behob ich erfolgreich mit zwei seitlich angenähten Stegen. Ich habe ein kaputtes Halfter zerschnitten und die Nylonriemen genommen. Diese habe ich von Hand schräg vom Nasenriemen
zu den Backenstücken dran genäht und war erstaunt, wie leicht man durch zwei Schichten Nylon kommt. Ich habe einmal den ganzen doppelten Rand herum und dann noch ein Kreuz durch die Mitte genäht.
Scheint gut zu halten, soviel Gewicht ist da ja auch nicht drauf. Der Nasenriemen ist nun fixiert und kann nicht mehr auf die Nüstern rutschen. Das Gewicht vom Maulkorb ist nun mehr auf den
Seitenteilen. Hat auch den Vorteil, dass ich nicht die mitgelieferte Gummimanschette für den Nasenriemen nehmen muss. Der Riemen zur Befestigung des GG am Nasenband des Halfters wird durch die
von mir angebrachten Stege in der Mitte gehalten. Der obere Teil des Halfters bleibt normal, also ohne Band zwischen den Ohren zur Nase hin. So dass es auch noch möglich ist, eine Fliegenhaube
oder dergleichen unterzuziehen.
Bedenken wegen Scheuerstellen?
Rico verliert schon immer im Sommer sein Fell unter dem Halfter
stellenweise, ist dort dann zwar kahl, aber nicht empfindlich. Ich habe also bereits Erfahrungen im Unterfüttern von Halftern.
Bedenken wegen Einschränkung sozialer Aktivitäten?
habe ich zu Beginn mit den Argumenten verworfen, dass
er noch weniger Kontakte hat, wenn er alleine auf dem Paddock stehen muss. Inzwischen wird er täglich bei der Fellpflege mit seinem Kumpel beobachtet. Es scheint weder ihn noch seinem Gegenpart
zu stören, dass er eine Kunststoffplatte trägt.
Sorge, dass ein Pferd mit Maulkorb wehrlos ist?
Beißen ist nun wirklich nicht die einzige Verteidigung.
Ich habe in unseren kleinen Herde (zur Zeit 7 Wallache) beobachtet, dass meistens die Körpersprache ausreicht. Rico hat zwar häufig mal ein paar Bisswunden am Hintern, die hatte er aber auch
früher schon, weil er etwas dickfellig ist und dem Chef nicht immer schnell genug ausweicht.
Wasser trinken?
ist zumindest aus dem Eimer überhaupt kein Problem. Inzwischen haben
wir noch einmal den Stall gewechselt und konnten feststellen, dass er auch aus einer normalen Pferdetränke mit Maulkorb trinken kann.
Wie lange ist die Eingewöhnungszeit?
das lässt sich schwer sagen. Rico hat während der ersten Woche
immer wieder Möglichkeiten gefunden, vorbeizufressen. Als ich das im Griff hatte hatte er den Maulkorb in Kürze komplett durchgefressen, weil er offensichtlich immer die Zähne aufsetzte anstatt
das Gras mit den Lippen zu angeln.
Wir haben nach Schilderung des Problems vom Hersteller einen neuen (Kulanz!) Maulkorb bekommen und es weiter versucht. Und es hat dann vom ersten Tag mit der heilen Fressbremse hervorragend
geklappt. Wichtig ist offensichtlich, dran zu bleiben! Das mit dem Durchfressen ist laut Hersteller je nach Art des Pferdes nicht ungewöhnlich. Gerade bei Robustrassen kommt das Zerbeißen des
ersten Maulkorbes wohl häufiger vor.
Bedenken wegen der Kommentare von Miteinstellern, Spaziergängern...?
Noch mehr Mitleid erregen würde der
Anblick eines Pferdes mit Hufrehe! Oder eines Pferdes, das alleine auf dem Paddock steht, während die anderen auf der Weide sind!
Ist das Pferd unglücklich?
Rico scheint inzwischen mit dem Gras zufrieden, das er durch den GG bekommt,
solange er nur etwas Gras zum Knabbern hat.
Wenn man im Fernsehen mal Wildpferde in der Freiheit sieht, so sieht man die oft auf sehr kargen Untergründen. Sie müssen sich dort stundenlang Mühe geben, ein paar Halme zu ergattern. Vielleicht
kann man das ein wenig mit der Mühe mit Fressgitter vergleichen????? Die Weiden hier sind nun mal ein Paradies für Pferde mit Tücken. Rico nimmt trotz GG auf der Weide nicht ab, aber er nimmt
wenigstens nicht mehr so bedenklich zu wie in den Jahren davor. Laut Herstellerangaben frisst ein Pferd mit GG je nach Geschicklichkeit ein Drittel bis zur Hälfte der Menge, die es ohne fressen
würde. Einer aus der Firma hat Isländer und Shettys, die den GG 24 Stunden 7 Monate lang tragen. Er meint, wenn man den zwischendurch mal abmacht, lernen die Ponys, in der Maulkorbfreien Zeit
mehr zu schlingen, als sie sonst ohne Korb fressen würden.